Falschrumskilauf

Falschrumskilauf
Text und Fotos Resourcenschoner

Eigentlich komme ich ja aus der Racecarver-Fraktion, in der nichts über Kantengriff und Laufruhe bei hohen Geschwindigkeiten unter dem Skischuh geht, um Rillen in den Schnee zu zaubern. Dort auch gut aufgehoben, suchte ich dennoch nach einem neuen Impuls, um das schöne Weiß auch mal anders genießen zu können. Ähnlich vielleicht wie die EXC zum Slowrider steht. Somit näherte sich das Thema „Tourengehen“. Über einen zufälligen Kontakt ergab es sich, dass ich mich an den Bremer Skiclub anhängen konnte, der im Sellrain (Österreich) eine entsprechende Fahrt anbot. Völlig ahnungslos, ich also hin, nach Gries im Sellrain. Equipment hatte ich im WWW gebraucht erstanden und der Rest würde sich schon ergeben.

Die Gruppe war bunt gemischt. Vom Sozialarbeiten, über den Hr. Doc., die Hausfrau, bis hin zum ehemaligen Kampfpiloten war fast alles vertreten. Sehr nett! Zum Start, eine Lawinenverschüttetensuche mit Piepser, Schaufel und Sonde. Tipp: Besser nicht verschütten lassen! Die Piepser piepsen, die Leute rennen versprengt im Hang unkoordiniert durch die Gegend, stochern in vermeintlichen Fundstellen rum und hauen Schützengräben in den Hang, als gelte es, den nächsten Weltkrieg zu gewinnen. Der Verschüttete hingegen nimmt sich besser gleich den Strick. Aber OK, „no risk, no fun!“

Dann die erste Tour. Es gab zwei Gruppen. Eine „Schnuddelfrauengenießergruppe“ und die Wortkargenhöhenmeterschrupper. Gut, dachte ich, zum Anfang mal langsam und meine feminine Seite rausgekehrt. Man/Frau schlich so dahin, unterhalten wurde sich, obwohl schwierig, wenn man immer hintereinander geht und die Route war einfach. Das war auch ganz nett, aber nicht so wirklich anspruchsvoll. Gut war es , um sich mit dem unbekannten Material anzufreunden. Verstellmöglichkeiten der Stiefel und Bindung auszuprobieren, die richtige Stocklänge zu finden usw.. Ich hoffte also auf die Abfahrt, in der ich dann meine wahren Stärken ausspielen würde, denn es galt die Freeride-Ski im Tiefschnee durch Fichtenschonungen zum Aufschwimmen zu bringen. Entsprechend hatte ich meine Schneebrille am Helm fixiert und alle Öffnungen an mir geschlossen. „Hardcore-freeridemäßig“ eben. Leider waren die Damen bergab so geschwindigkeitswütig, wie bergauf, so dass es kurz vor der Aufschwimmfase immer wieder zu Stopps kam und man erst einmal die wahnsinnigen 50m, die man soeben im Stemmbogen geschafft hatte, in einem intensiven Austausch re vu passieren lassen musste. Das letzte Stück, einen Ziehweg, meisterte ich dann mit geschlossenen Öffnungen, beschlagener Schneebrille im Doppelstockschub bis zum Auto.

Klar, ab zu den Heißdüsen!

Lange kopierte Anstiege in gutem Tempo durch wunderschöne Landschaften und der Möglichkeit, seinen Rhythmus zu finden. Klasse. Kurze Absprachen oder Hinweise auf Gefahrenstellen und ansonsten, „gib ihm“. Die Touren hatten so um die 1000hm, mit guten Abfahrten, die teilweise etwas abenteuerlich waren. Aber das hatte ich gesucht. Naturerlebnis pur, Anstrengung je nach Gusto, aber nie lasch und unberührte Hänge, die die Möglichkeit bieten, den Freerider auch wirklich freizulassen. Eine Tour hatten wir sehr sportlich angelegt und sind entsprechend flott unterwegs gewesen. Ich glaube ich bin beim Aufstieg zwei Mal nass und wieder trocken geworden. Es lebe die Chemieklamotte, deren Geruch am Tag danach aber nur schwer in Worte zu fassen ist. Aber selbst bei solchen Aufstiegen gilt, besser keine dicke Lippe riskieren. Denn wenn man denkt, man ist schon toll und wahnsinnig schnell bergauf unterwegs, kommen zwei 80jährige von hinten, die ihre Schlitten hinter sich herziehen, auf denen dann noch ein Helm geschnallt ist. Also besser OBACHT! Die kommen dann noch in Plauderstimmung, während man selbst versuchst dem Sauerstoffmangel zu beheben. Die Vorhersage von unserem Jochi und Stefan K. trat auch ein. Denn der erste Spruch, den man fängt ist tatsächlich: „Willsde was ausziehn?“ Und JA, ich wollte was ausziehen! Erstaunlich ist aber, welche Steigungen man mit den Fellen gehen kann, wenn man dann ausgezogen ist. Die Bindung hinten hochgeklappt und in direkter Linie hoch. Faszinierend, dieser GRIPP unter der Sohle entsteht! Was man auch lernt ist, seine Felle wie seine Augäpfel zu behandeln, damit das auch so bleibt. So kam es, dass ich das erste Mal in meinem Leben zwar nicht mit Equipment ins Bett gegangen bin, aber es äußerst liebevoll am Bett zum trocknen hatte. So gingen die Tage dahin und füllten sich mit Eindrücken von Natur, Sport und Entspannung. KLASSE! Zum Material: Meine Ski sind breit, weich und nicht die Leichtesten beim Aufstieg. Im Tiefschnee hingegen ein Traum. Wenn man die Traute hat nur einen Schwung zu setzen, wo andere drei machen, hebt es einen aus dem Sumpf und man schwimmt auf, wie beim Surfen nach der Verdrängungsfase (wer das kennt). Und dann ist es einfach nur PIPI in der Hose!

Meine 30. Euro-Schuhe (Lowa) haben ihren Teil erfüllt. KEINE Blasen oder Druckstellen (bei Tourengehern echt selten, habe ich festgestellt), gut im Aufstieg und in der Abfahrt ein guter Kompromiss. Mehr kann man nicht verlangen.

Die Bindung (Fritschi Diamir) ist im Aufstieg super verstellbar und für die Abfahrt so zu fixieren, dass man keinen Unterschied zu einer Abfahrtsbindung spürt.

Der Rest (Stöcke, Schaufel, Sonde, Rucksack, …) spielt wenig Rolle, ist aber zwingend notwendig und immer dabei!

Die modernen Verschüttetensuchgeräte ermöglichen es, mehrere Signale zu orten, was ein großer Vorteil gegenüber von alten Geräten ist. Kostet aber auch. Das war das einzige Teil was ich neu gekauft hab!

Die Ausrüstung ist noch immer ein Kompromiss, aber längst an die Bedürfnisse angepasst und weiterentwickelt. Die Entscheidung, zu den Aufstiegs- oder Abfahrtsorientierten zu gehören, muss jedoch jeder im Vorfeld für sich treffen, sonst macht es keinen Spaß.

Zum Tourengeher und Sport als solches: Vorbei sind die Zeiten, in denen die Rotsockenfraktion in Knickerbocker mit nem Teebeutel im Gepäck auf die nächste Alpenvereinshütte gelaufen ist, weil da das Warmwasser umsonst ist. Es ist ein technisierter Sport entstanden (mit GPS-Daten –Ich hab da n Treck!- und Wetteranalysen), der die Möglichkeit bietet, fern vom alpinen Trubel sportlich die Natur zu erleben. Dabei ist das Tourengehen gleichermaßen anspruchsvoll, wie entspannend, in Teilen tatsächlich meditativ. Der gemeine Tourengeher gehört nicht zwangsläufig zu den guten Skifahrern! Viele sind aufstiegsorientiert und nehmen die Abfahrt als dazugehöriges Übel in Kauf. Ich bin da anders. Schon beim Rauflaufen ist mein Blick nach li. und re. gerichtet, um eine schöne „line“ zu finden, die genügend Raum für laaaange Schwünge bietet.

Die Ruhe und Abgeschiedenheit sind fantastisch und das Durchpflügen eines frischen Hanges durch nichts zu ersetzen. Es scheint aber, als habe die breite Masse den Trend mittlerweile für sich entdeckt. Somit bleibt abzuwarten, wie sich die Touren entwickeln. Wenn es zum Herdentrieb wird, fahre ich wieder Lift und ziehe mit meinem Carver tiefe Rillen in gewalzte Pisten.